Im Clara-Zetkin-Park dürften die meisten Einwohner der Stadt schon einen Teil ihrer Freizeit verbracht haben. Wie der Park entstand und was das alles mit dem deutschen Kolonialismus zu tun hat, ist hingegen weniger bekannt.
Die Entstehung des Parks geht zurück auf die Sächsisch-Thüringische Gewerbeausstellung, die im Sommer 1897 auf diesem Gelände stattfand. Interessant wird diese Ausstellung durch die darin enthaltene Deutsch-Ostafrikanische Ausstellung. Diese Kolonialausstellung wurde von Leutnant a. D. Kurt Blümcke konzipiert, der vorher unter Gouverneur Hermann von Wissmann in der „Schutztruppe“ in Deutsch-Ostafrika diente und sich somit bestens auskannte.
Erklärtes Ziel der Ausstellung war laut Ausstellungszeitung: „…neben die hoch entwickelte moderne europäische Kultur die eigenartig gestaltete afrikanische, welche die ersten Stufen unseres Kulturlebens etwa erst zu erreichen bestrebt ist, zum Vergleich zu setzen.“ Daneben sollte für die „Koloniale Idee“ in Bevölkerung und Industrie geworben werden. Die mit den Kolonien verbundene Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung zeigt sich auch in der finanziellen Unterstützung der kostspieligen Ausstellung durch Leipziger Unternehmer, Politik und Kolonialvereine.
Um dem Besucher ein eindrucksvolles Bild des Schutzgebietes zu vermitteln wurde kein Aufwand gescheut und auf einer Fläche von 20.000 Quadratmetern mehrere Gebäude nahezu originalgetreu nachgebaut: Zwei Kolonialstationen (Usungula und Mquapua), ein Expeditionslager (das „Wissmannlager“), eine evangelische Missionsstation und die Haupthandels-Straße Barra-Rasta in Dar es Salaam samt Souvenirläden und arabischem Café.
In den Gebäuden war eine Vielzahl von ethnographischen Gegenständen, landestypischen Produkten und Bildern zu besichtigen. Unter anderem auch „einige sehr interessante Stücke aus der Sammlung des Herrn Gouverneur v. Wissmann, von ihm (…) in den Gefechten gegen die Wawamba erbeutet.“
Den besonderen Reiz erhielt die Ausstellung jedoch durch die integrierte Völkerschau. Mit Erlaubnis der Kolonial-Abteilung des Auswärtigen Amtes, und des Gouverneurs Deutsch-Ostafrikas war der Beamte Karl Kaufmann am 27. Dezember 1896 zur Anwerbung von „Eingeborenen“ nach Dar es Salaam abgereist. Am 16. April kam er dann mit einer Gruppe von 47 Einwohnern der Kolonie nach Leipzig zurück.
Wichtig war bei der Auswahl der Völkerschauteilnehmer, dass sie vorher möglichst wenig Kontakt mit Europäern hatten. Der Auftrag an Kaufmann war: „… Vertreter der innerafrikanischen Stämme zu gewinnen, da die Suaheli als etwas Bekanntes – wie viele Suaheli-Karawanen gab es in den letzten Jahrzehnten in Deutschland zu sehen! – niemals die Anziehungskraft ausüben konnten, wie Repräsentanten anderer Stämme.“ Besonders spannend wurde die ganze Sache noch durch Gerüchte, dass Angehörige der Wadoe Kannibalen seien. So schrieb die Ausstellungszeitung: „…Wadoe, ein Volksstamm, der sich durch Schönheit auszeichnet und besonders dadurch interessant ist, dass von ihm das Gerücht geht, dass bei besonderen Festlichkeiten dort Menschen verspeist wurden, und dass auch drei Matrosen von Sr. Majestät Schiff „Leipzig“, die sich im Jahre 1888 zur Zeit des Buschiri-Aufstandes vom Schiffe entfernten, von ihnen verspeist sein sollen. Herrn Kaufmann gaben die Leute auf sein Befragen die Erklärung ab, dass sie früher Menschen gegessen hätten, der drei Matrosen könnten sie sich aber nicht entsinnen.“
Neben dem Nervenkitzel, der mit diesen Berichten erzeugt werden sollte, dient der Kannibalismus-Vorwurf auch immer wieder um „die Anderen“ als nicht-ganz- menschlich zu markieren. In den Berichten der Ausstellungszeitung wurden die Völkerschauteilnehmer demzufolge oftmals ähnlich Tieren oder Kindern beschrieben. So „vertrieben sie sich die Zeit mit Essen, Trinken, Tanzen und Schlafen“ „fühlen sich (…) behaglich“ „in dem für sie bestimmten Hause“, sind „immer sehr freundlich“ und zeigen nicht die geringste „Zudringlichkeit“.
All diese entmenschlichenden Beschreibungen dienen dabei immer auch der rassistischen Ideologie des Kolonialismus mit der die Herrschaft über die Kolonisierten begründet wurde.
Trotz der angeblich guten Behandlung und der medizinischen Betreuung starb ein junger Angehöriger der Wassukuma kurz nach Eröffnung der Ausstellung an einer Lungenentzündung und wurde auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt. In den letzten Ausgaben der Ausstellungszeitung wurden die Berichte über die Völkerschau spärlicher. Der Reiz der Exoten schien nachgelassen zu haben. Über das weitere Schicksal der 47 Männer, Frauen und Kinder ist mir nichts weiter bekannt.
Gerade in einer Zeit, in der es noch kein Fernsehen gab und Reisen ein Privileg weniger war, sollte die Wirkung von Kolonialausstellungen auf die öffentliche Meinungsbildung nicht zu gering geschätzt werden. Die Deutsch-Ostafrikanische Ausstellung mit seiner Zeitung und 635.000 Besuchern war, nach der ersten Kolonialausstellung im Vorjahr in Berlin, eine der größeren ihrer Art.
Ausstellungszeitung der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung 1897 (nachfolgend Ausstellungszeitung) vom 29.4.1897. Zur Begleitung der Ausstellung erschien anfangs wöchentlich und später täglich eine Ausstellungszeitung mit Hintergrundberichten über die verschiedenen Teilbereiche und Informationen rund um das aktuelle Geschehen.
Blümcke, Kurt: Deutsch-Ostafrikanische Ausstellung. Sächsisch-Thüringische Industrie- und Gewerbe-Ausstellung Leipzig 1897. Offizieller Führer, Leipzig 1897. S. 5.
Ebd. S. 23.
Ausstellungszeitung vom 29.5.1897.
Ausstellungszeitung vom 12.4.1897.
Alle Zitate Ausstellungszeitung vom 21.4.1897.
Ausstellungszeitung vom 5.5.1897.
Hochmuth, Enrico: Von der Dschungelhütte zum Glashaus. Was die Parkgaststätte im Clara-Zetkin-Park mit einer Kolonialausstellung verbindet, in: Leipziger Blätter, Heft 39, Leipzig 2001, S.29-31.